Am Freitag, dem 15. Mai 2020, verstarb nach schwerer Krankheit unser ehemaliges, langjähriges Vereinsmitglied Gerhard Winter kurz vor seinem 64. Geburtstag. Viele werden sich noch an Gerhard als einen ausgesprochen liebenswürdigen Menschen erinnern. Hans-Bernd von der Lippe hat einen sehr persönlichen Nachruf auf seinen Freund verfasst.
Gerhards erster Verein waren die Bohemians Bonn, die nachher zu den Empor Maulwürfen übergingen. Meine erste Begegnung mit Gerhard war ein Mannschaftskampf zwischen den Bohemians und der Dollendorf-Vilicher Schachgesellschaft. Ich spielte am 2. Brett gegen Gerhard. Es kam die Königsindische Verteidigung, das Petrosjan-System, aufs Brett. Nach ein paar Opfern konnte ich die Partie gewinnen.
Damals, so muss ich gestehen, wirkte Gerhard an diesem Tag eher als Opfer denn als Gegner. Erst später, als wir in Beuel uns öfters begegneten und miteinander sprachen, lernte ich ihn besser kennen. Da wir in Beuel nur ein paar Straßen voneinander entfernt wohnten, trafen wir uns dann auch privat zum Schachspielen. Wir stellten fest, dass wir noch andere gemeinsame Steckenpferde hatten, wie die Freude zur klassischen Musik. Manchmal trafen wir uns auch nur zum Quatschen und Teetrinken.
Gerhard trat bald auch in unseren Verein ein und beteiligte sich rege, sowohl an den Vereinsturnieren, als auch bei den Mannschaftskämpfen. Er war ein hervorragender Teamspieler. Stets kam er pünktlich, meistens mindestens 15 Minuten vor Beginn des Kampfes, auch als er schon in Köln wohnte. In der Regel musste ich ihn überhaupt nicht informieren, er wusste stets Bescheid.
Legendär sind für mich seine Sprüche bzw. sein Zaudern: „Was ist, wenn ich hier nichts mache?“ Gemeint ist eine Schachstellung, wo sein Gegner z.B. ein Opfer anbietet. Viele überlegen nun, kann ich das Opfer annehmen und was sind die Folgen. Doch Gerhard hatte eine andere Sicht auf diese Position. „Soll der Gegner mich ruhig provozieren, ich entwickle meine Figuren weiter, er wird schon sehen, was er davon hat!“
Oder: Ich weiß nicht, was soll ich machen? Soll ich sein Remisangebot annehmen? Was meinst Du, Mannschaftsführer? Meistens konnten wir das Problem gemeinsam lösen. Es gibt noch viele Sprüche und Redensarten von ihm: „Da steht man wie ein Berg vorm Ochsen“…
Der Liebe wegen, und auch weil seine Wohnung wegen Eigenbedarf gekündigt wurde, zog Gerhard schließlich nach Köln. Doch er hielt unserem Verein die Treue und besuchte regelmäßig die Spielabende und blieb auch ein aktiver Mannschaftskämpfer.
In Köln lernte Gerhard auch seine spätere Frau Ritsy, eine Altenpflegerin, kennen. Mit ihr hat er einen wirklichen Glückstreffer gelandet. Ritsy stammt aus Südindien. Sie ist eine wundervolle, warmherzige Person. Sie konnte aber, wenn es sein musste, gegen Gerhard auch resolut sein, wenn er sich mal wieder nicht so richtig entscheiden konnte. Doch nicht nur mit seiner geliebten Frau verstand er sich prächtig, sondern auch bei der indischen Familie war Gerhard sehr beliebt, seine liebenswürdige und ruhige Art kam sowohl bei der Schwiegermutter, Ritsys Geschwistern und den zahlreichen Kindern gut an. Ich konnte mich Ritsys und Gerhards Gastfreundschaft oft erfreuen. Wir spielten Schach oder hörten Musik. Hin und wieder besuchten wir den Botanischen Garten in der Nähe des Kölner Zoos. Abends bereitete Ritsy noch etwas Leckeres zum Essen zu.
Irgendwann wurden die Fahrten von Köln nach Bonn Beuel zu unserem Schachklub zu teuer, zumal er sein Auto aus Kostengründen verkaufen musste. Gerhard schloss sich nun den Schachfreunden Ford Köln an. Dort spielte er ebenfalls leidenschaftlich bei den Klubturnieren, Mannschaftskämpfen und nahm mehrfach mit guten Ergebnissen an den Ford Open Turnieren teil. Lange Jahre war er auch Mannschaftsführer, und im Vorstand bekleidete er das Amt des Schriftführers. Sein Interesse zu seinem alten Verein, dem er mehr als 25 Jahre angehört hatte, blieb aber immer erhalten. Er hatte bei uns viele Freunde gefunden.
Sein letzter Besuch war ein Mannschaftskampf unserer beiden Ersten. Er spielte gegen Stefan Dzierzenga. Gerhard und Stefan kannten sich schon aus den Tagen der Bohemians Bonn vor 34 Jahren. Nach der Partie begleitete uns Gerhard zu einem Biergarten und fuhr am Abend, froh, einige seiner alten Weggefährten wieder getroffen zu haben, nach Köln zurück.
Sein Leben endete unvollendet, wie ein großes Werk eines seiner Lieblingskomponisten, nämlich Franz Schubert. Dessen Lieder, die Kammermusik und die Sinfonien waren für Gerhard eine große Bereicherung. Besonders mochte er die 7. Sinfonie in h-moll, die, wie der Name schon andeutet, Schubert nicht hat vollenden können, bevor er mit 31 Jahren starb. Auch Gustav Mahler hörte er gerne. Hier vor allem das „Lied von der Erde“ mit Kathleen Ferrier.
Ich habe einen treuen und wundervollen Freund verloren, ich werde die Gespräche, Diskussionen über zahlreiche Themen sehr vermissen. Danke Gerhard, Du warst ein guter Freund. Ruhe in Frieden
Dein Freund Hans-Bernd